Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort (sog. Sammelpunkt) typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen, sind nach Paragraf 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes die Aufwendungen für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort nur mit der Pendlerpauschale von 30 Cent je Entfernungskilometer als Werbungskosten zu berücksichtigen. Und nicht mit den tatsächlichen Kosten oder alternativ mit 30 Cent je gefahrenem Kilometer. Ein steuerfreier Fahrtkostenersatz ist damit ausgeschlossen.
Typische Beispiele sind die Fahrten zu einem Busdepot oder Fährhafen, wo ein Busfahrer oder Schiffsführer ein Fahrzeug in Empfang nimmt und seinen Dienst antritt, sowie die Fahrten eines Arbeitnehmers an einen vom Arbeitgeber festgelegten Ort, wo der Mitarbeiter im Rahmen einer Sammelbeförderung abgeholt wird.
Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen. Solche Absprachen und Weisungen können insbesondere im Arbeitsvertrag oder aber auch durch Ausübung des Direktionsrechts (beispielsweise im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers oder Dienstherrn erfolgen. Die arbeitsrechtliche Anordnung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden.
Tipp: Die gesetzliche Regelung zielt nur die Wegekosten ab. Der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten wird durch die Vorschrift nicht berührt. Vielmehr ist der Arbeitnehmer auch in einem solchen Fall außerhalb seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig und kann deshalb bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden von der Wohnung Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten geltend machen.
Bislang war unklar, wann davon auszugehen ist, dass ein Arbeitnehmer dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufsuchen muss. So wurde die Auffassung vertreten, dass die Rechtsnorm nur anwendbar ist, wenn der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Ort an sämtlichen seiner Arbeitstage aufsuchen soll.
Der für die Lohnsteuer zuständige sechste Senat des BFH hat jetzt geklärt, dass die Anwendung der Entfernungspauschale voraussetzt, dass der Arbeitnehmer den Ort zur Aufnahme der Arbeit aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers zum einen typischerweise arbeitstäglich und zum anderen auch dauerhaft aufzusuchen hat.
Nach Auffassung des BFH bringt die gesetzliche Formulierung, wonach die Entfernungspauschale zur Anwendung kommt, wenn der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber bestimmten Ort „typischerweise“ arbeitstäglich aufzusuchen hat, klar zum Ausdruck, dass kein ausnahmsloses Aufsuchen an sämtlichen Arbeitstagen vorausgesetzt wird.
Tipp: Es kommt nicht darauf an, dass eine bestimmte prozentuale oder tageweise Grenze überschritten wird. Maßgebend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer entsprechend der Weisung des Arbeitgebers den Ort in der Regel aufzusuchen hat. Ausnahmen sind mithin durchaus möglich (zum Beispiel bei einer Fortbildungsveranstaltung oder einem unvorhergesehenen Einsatz).
Ein typischerweise fahrtägliches Aufsuchen genügt nicht. Das heißt: Es reicht nicht, wenn ein Arbeitnehmer einen vom Arbeitgeber bestimmten Ort nur an allen Tagen aufsuchen muss, an dem er Fahrten von seiner Wohnung aus durchführen wird. Ein Sammelpunkt liegt nur vor, wenn er typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen ist.
Tipp: Die Finanzverwaltung hat das bisher anders gesehen. Es bleibt daher abzuwarten, wie das Bundesfinanzministerium auf die Entscheidung des BFH reagiert.
Ein dauerhaftes Aufsuchen ist entsprechend der Legaldefinition in Paragraf 9 Absatz 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes zu bejahen, wenn die Anordnung des Arbeitgebers zum Aufsuchen desselben Orts unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus erfolgt.
Tipp: Die genannten Regeln gelten nicht nur bei Fahrten zu einem Sammelpunkt, sondern sinngemäß auch dann, wenn der Arbeitnehmer in einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet tätig werden soll.
Beispiel macht die Konsequenzen deutlich
Nehmen wir an, ein Baumaschinenführer gelangt mit einem Sammelfahrzeug seines Arbeitgebers zu den jeweiligen Baustellen. Dies betrifft sowohl Fahrten mit täglicher Rückkehr als auch Einsätze auf Fernbaustellen, die zumeist die gesamte Woche dauern.
Bei der steuerlichen Beurteilung sind zwei Fälle zu unterscheiden:
- Es stand von vornherein fest, dass der Baumaschinenführer nicht nur auf eintägigen Baustellen eingesetzt werden würde, sondern auch auf mehrtägigen Fernbaustellen.
Da von vornherein festgestanden hat, dass der Baumaschinenführer den Betriebssitz nur an den Fahrtagen aufsuchen sollte, liegt in diesem Fall kein typischerweise arbeitstägliches Aufsuchen des Betriebssitzes des Arbeitgebers vor. Es handelt sich nur um ein typischerweise fahrtägliches Aufsuchen. Das ist aber nach Meinung des BFH nicht ausreichend, um den Abzug der Kfz-Kosten zu beschränken. Der Baumaschinenführer kann seine Fahrten zum Treffpunkt nicht nur mit der Pendlerpauschale von 30 Cent je Entfernungskilometer, sondern in voller Höhe oder alternativ mit 30 Cent je gefahrenem Kilometer als Werbungskosten geltend machen.
- Es war geplant, dass der Baumaschinenführer nur auf eintägigen lokalen Baustellen eingesetzt wird. Bei den mehrtägigen Fernbaustellen handelt es sich um nicht absehbare Ausnahmen.
In diesem Fall ist ein Sammelpunkt zu bejahen. Der Baumaschinenführer kann nur die Entfernungspauschale geltend machen. Ein „typischerweise arbeitstägliches“ Aufsuchen erfordert nämlich kein ausnahmsloses Aufsuchen des vom Arbeitgeber festgelegten Orts oder Gebiets an sämtlichen Arbeitstagen des Arbeitnehmers.